Übersetzung: Hong Kong Telegraph vom 13. März 1909

 

 

Der Tod von Dr. Paulun

 

- Ein Verlust für das Gemeinwesen von Shanghai -

 

Die Nachricht vom Tod des Dr. E. H. Paulun wird sicherlich mit größtem Bedauern vom gesamten Gemeinwesen aufgenommen werden. Vor wenigen Tagen wurde Dr. Paulun mit Typhus infiziert in das General Hospital eingeliefert. Nach dem Versagen seiner Nieren starb er gegen 4.00 Uhr am gestrigen Morgen an Urämie, berichtet N.C.D. News (am 6. März).

 

Dr. Paulun wurde im Jahr 1862 in Pasewalk geboren, er verstarb einen Tag nach seinem 47. Geburtstag. Er hatte beide Eltern bereits in frühen Jahren verloren. Nach seiner Schulzeit an einem Gymnasium in Wolfenbüttel setzte Dr. Paulun seinen Bildungsweg an der Friedrich Wilhelm Universität in Berlin fort, eine militärische medizinische Einrichtung. Er schloss sein Studium mit Promotion ab und diente daraufhin von 1880 bis 1890 auf „S.M.S“ Wolf und Iltis *)  in asiatischen Gewässern. Er verließ die Marine mit dem Rang eines Stabsarztes und arbeitete 1895-96 als Assistent des Dr. Zedelius in Shanghai. Dann ließ sich Dr. Paulun in Hongkong nieder, wo er seine eigene Praxis betrieb, aber er kehrte erst nach dem Tod von Dr. Zedelius im Januar 1899 nach Shanghai zurück, und wurde dessen Nachfolger. Im folgenden Jahr heiratete er die älteste Tochter des Dr. Zedelius während eines Heimaturlaubs in Deutschland. Dr. Paulun hinterlässt mit seiner noch lebenden Frau fünf kleine Kinder - drei Töchter und zwei Söhne.

 

Dr. Paulun war einer der am besten bekannten Deutschen in Shanghai, nicht nur unter seinen Landsleuten sondern innerhalb der gesamten Bevölkerung. Bereits kurze Zeit nach seiner Ankunft hatte seine Praxis einen derartigen Zulauf an Patienten bekommen, dass Dr. Paulun einen Partner einstellen musste. Zum Zeitpunkt seines Todes bestand seine Praxis aus drei Chirurgen, drei Assistenz-Chirurgen sowie einem Röntgenspezialisten. Er gründete vor einigen Jahren ein karitatives Krankenhaus für Chinesen, gefolgt von der Deutschen Medizinschule für Chinesen, in der Burkill Road. Er war als Direktor des General Hospitals tätig, Mitglied des Schulkomitees der Deutschen Schule - in welchem er eine bedeutende Rolle spielte - und Mitglied des Komitees des Concordia Clubs - dem er einen Dienst von unschätzbarem Wert mit seinen Vorschlägen zur Hygiene für das neue Gebäude erwies.

 

Für ganz Shanghai war er desungeachtet in erster Linie Chirurg. Der Spitzname unter welchem er allgemein bekannt war, unterstreicht schmeichelnd seine fachlichen Fähigkeiten und Courage. Viele verdanken seiner Schnelligkeit und Entscheidungskraft ihr Leben. Bei gutem und schlechtem Wetter, zu jeder Zeit des Tages oder der Nacht, Dr. Paulun stand stets seinen Patienten zur Verfügung, und er ließ denjenigen, von denen er wusste, dass er keine Vergütung zu erwarten hatte, das gleiche Maß an Beachtung zukommen wie den Wohlhabenden. Viele seiner ärmeren Patienten können von gutmütigen Taten erzählen, von Geldgaben, die er ihnen für einen lang ersehnten Urlaub zukommen ließ, von seiner Fürsorge und Geduld während ihrer Erkrankungen. Nur kurze Zeit vor seinem Tod hatte Dr. Paulun noch verkündet, dass er gern weitere zwanzig Jahre weiterleben wollte, um seiner Tätigkeit, welcher er sich gänzlich hingegeben hatte, weiter nachzugehen. Obwohl ihm Lob und Ehre während seiner beruflichen Laufbahn reichlich zugesprochen wurden, wird das am längsten wirkende Monument seiner Arbeit die Wertschätzung sein, in der sein Andenken von den vielen gehalten wird, die allen Grund haben seine Dienste hoch zu einschätzen.

 

Die folgenden Würdigungen des verstorbenen Dr. Paulun kamen uns von zwei Mitgliedern der jüdischen Gemeinde zu:

 

„Ich würde Sie gerne um ein wenig Ihrer kostbaren Zeit bitten, um einen kleinen Beitrag zur Ehrung des verstorbenen Dr. Paulun zu leisten. Von Herzen kommende Formulierungen eines gewandteren Schreibers als ich werden mit Sicherheit an anderer Stelle noch erscheinen, denn die Trauer um den Tod des Dr. Paulun wird im gesamten Fernen Osten zu spüren sein.

 

Ich bin sicher, dass ich hiermit auch die einmütigen Empfindungen meiner Glaubensbrüder äußern werde, die um den Verlust eines Mannes trauern, dessen Großzügigkeit gegenüber der gesamten jüdischen Gemeinde im allgemeinen und dessen Nächstenliebe zu den Bedürftigen auf einer Ebene mit seinem medizinischen Fähigkeiten standen. Die Armen der jüdischen Gemeinde mussten nie lange warten, wenn sie seiner Hilfe bedurften; zahlreich sind die Fälle, in denen er ihnen neben seiner sorgfältigen medizinischen Zuwendung auch Hilfe aus seinem Geldbeutel zukommen ließ.

 

In einem Beruf, in dem alles, was äußerst menschlich und nachsichtig ist, zum Alltag gehört, schien Dr. Paulun es zu begrüßen, was für einen vielbeschäftigten Mann eine große Belastung darstellen musste.

 

Sein Andenken wird ewig von uns in Ehre gehalten.“

 

Der zweite schreibt:

 

„Selten fühlte sich Shanghai so tief schockiert und verschreckt, wie beim Tod seines am besten bekannten Bürgers, dieses erhabenen, edel gesinnten Mannes, Dr. E. Paulun. Eine reine, unbescholtene Seele ist verstorben, um sich geistiger Freude und ewig anhaltender Glückseeligkeit anzunehmen. Wenn das jüdische Sprichwort: ‚Das Andenken an den Gerechten ist ein Segen,“ jemals Erfüllung findet, dann bei dem Tod dieses Verstorbenen; einem Mann, stark in seinem Intellekt und gewissenhaft in seinem Aufgabenbereich, sogar bis ans Ende.“

 

„Als die sich Nachricht über seinen Tod verbreitete, waren viele wie vom Blitz getroffen, obwohl das Ende nicht völlig unerwartet eintrat. Der Verstorbene genoss großen Respekt bei allen, die ihn kennen lernten. Er vermochte sich also durch seine geniale und liebenswerte Persönlichkeit bei diesen beliebt zu machen. Als barmherziger und gütiger Mann war er stets bereit die Bedürftigen zu unterstützen, besonders die von einer Krankheit Befallenen, und sein lächelndes Gesicht bot Charme und Erleichterung für das Leiden seiner Patienten. Er war wahrlich ein Helfer im Weingut des Herrn, betrachtete seinen Beruf nicht von einem Gewinn einbringenden Gesichtspunkt aus, sondern inspiriert von humanitärem Eifer und Enthusiasmus. Das Gute, das er vollbracht hat, ist nicht zu verbergen, und die gestern überall zu sehenden trauernden Gesichter im Stadtgebiet sind Beweis genug für die warme und liebevolle Anerkennung, die ihm zuteil wurde. Sein Ableben hat eine Lücke hinterlassen, die nur schwer wieder zu füllen sein wird. Viele werden ihn vermissen; viele werden seinen Tod mit schmerzlichem Bedauern spüren. Er starb mitten in seiner Arbeit; sein Leben verbrachte er nicht nutzlos.

 

Zuletzt in Frieden, alle Proben sind bestanden,

Sein Leben wurde aufgezeichnet:

Der Nutzen, den er erbrachte, bleibt für immer offenkundig,

Obwohl die Bindung zum Leben nun getrennt ist.

 

Wir freuen uns, auch den folgenden Brief veröffentlichen zu dürfen: -

 

Sehr geehrter Herr,

es hat wenige Verkündungen gegeben, die die Herzen dieser Gemeinschaft so tief berührten, wie die Nachricht vom Tod Dr. Pauluns.

 

Wenn es jemals einen Mann gab, der es verdient, dass sein Andenken in Anerkennung und Ehrerbietung gehalten wird, so ist er es. Von seinen großartigen Fortschritten und seiner unermüdlichen Energie bei der Ausübung seines Berufes, muss ich an dieser Stelle nicht anfangen.

 

Groß in seiner Kunst und unvergleichlich an Mitteln

 bemühte er sich, als Freund den Menschen die Qualen zu überwinden

Noch nie zuvor riskierte ein Sieger einen so kühnen Kurs

mit treuem Herzen und Waffen, die sich als so gut erwiesen.

 

 

Aber es ist vielmehr die Größe seines Herzens und seine grenzenlose und unaufdringliche Großzügigkeit, die ihn selbst bei so vielen unter uns beliebt machte und ihn in einer Erinnerung zurückließ, wie sie in unserer lokalen Geschichte wahrscheinlich nicht zu übertreffen ist.

 

Die Beerdigung wird am Nachmittag des kommenden Sonntags stattfinden und wenn alles seinen gewohnten Gang nimmt, so wird nicht einmal ein Zehntel derjenigen, die ihn liebten und um seinen Tod trauern, in der kleinen Kapelle am Friedhof Platz finden können.

 

Wenn es noch nicht zu spät ist, so darf ich deswegen vorschlagen, ob das Andenken des guten Doktors durch eine Art eines öffentlichen Begräbnisses geehrt werden sollte, dem ein Gottesdienst in seiner eigenen Kirche vorangeht?

 

Wenn die letzten traurigen Zeremonien vollendet sind, bleibt genügend Zeit, um darüber nachzudenken, welches Monument zu seinem Gedenken errichtet werden soll: Sicher werden wir uns ein Vorhaben ausdenken, das auf die Unterstützung vieler Bewunderer des Doktors unter allen Klassen und Nationalitäten dieser Gemeinschaft trifft. Ich bin, etc.,

 

J. P. D. Griffin.

 

*) Diese Angaben sind nicht korrekt: 1880 war Erich Paulun erst 18 Jahre alt